Lernen im Aufbruch war mit Grußwort und Infostand dabei:
Mehr Infos auf www.juttawimmer.com
Buch zum Vortrag: Die 10 größten Lernlustkiller – wie unsere Kinder mehr Spaß an der Schule haben
Artikel Bergsträßer Anzeiger 1.10.2015:
Bensheim. „Wer Leistung will, muss Lernlust fördern.“ Ein nachvollziehbarer Satz, den mit Sicherheit viele Eltern und Lehrer genau so unterschreiben können. „Kinder folgen dem, was wir vorleben, nicht dem, was wir sagen.“ Noch so ein Spruch, der vermutlich auf ebenso viel Zustimmung stößt und den Nagel auf den Kopf trifft. Aber was hat es mit der provokativen Behauptung von Manager-Trainerin Sabine Asgodom auf sich: „Wer lacht, der lernt?“ Sieht die Realität in den allermeisten Klassenzimmern nicht komplett anders aus und macht sich derjenige nicht eher verdächtig, der beim Lernen lacht?
Für Jutta Wimmer, eine der erfolgreichsten Bildungsexpertinnen in Deutschland, steht hingegen unwiederbringlich fest, dass Langeweile und fehlender Spaß im Unterricht zu den gravierendsten „Lernlustkillern“ zählen, denen es möglichst schnell an den Kragen gehen sollte. Wimmer ist allerdings Realistin genug, um zu wissen, dass gut Ding Weile braucht. Aber auch, dass es gilt, den Finger in die Wunde zu legen und zum Wohl der Kinder alte Zöpfe abzuschneiden – wie beispielsweise abstrakte Lernmethoden ohne Langzeitwirkung, überfrachtete Lehrpläne („durchgenommen ist nicht gleich angekommen“) und die Angst vor schlechten Noten.
Von Fehler- zu Schatzsuchern
Den erhobenen Zeigefinger findet man indes beim Erlebnisvortrag von Jutta Wimmer über „Die größten Lernlust-Killer – wie unsere Kinder wieder mehr Spaß an der Schule haben“ und ihrer turbulenten „One-Woman-Show“ ebenso wenig wie Schuldzuweisungen und pauschale Vorwürfe. Die Mutter eines 16 Jahre alten Sohnes ist weder eine Nestbeschmutzerin noch eine Nörglerin und Besserwisserin.
Ihr Blick durchs Schlüsselloch in die real-chaotische Welt der Kinder-, Lehrer- und Klassenzimmer bleibt nicht starr an Versäumnissen und Fehleinschätzungen haften. Sie demonstriert vielmehr mit viel Humor und anhand kleiner Alltagsgeschichten, warum die größten Lernlust-Killer Kinder daran hindern, ihr gesamtes Potenzial zu entfalten.
Es darf gelacht werden – und es wurde viel gelacht im Bürgerhaus, als die Bildungsexpertin mit dem bayrischen Zungenschlag etwa in die Rolle der 13-jährigen Lisa schlüpft und ihr kabarettistisches Talent voll ausschöpfte. Real-Satire mit mehr als nur einem Körnchen Wahrheit, so könnte man den temperamentvollen Auftritt von „Teenie Lisa“ beschreiben.
Nicht wenige der Mamas und Papas im Saal schüttelten sich aus vor Lachen und nickten verständnisvoll mit den Köpfen. Will heißen, Lisa bündelt in kurzen, überspitzten Bühnenszenen auf einen Schlag alle Lernlust-Killer, mit denen Eltern, deren Söhne und Töchter Tag für Tag zu kämpfen haben und die Frust, kleine Notlügen und blankliegenden Nerven geradezu magisch anziehen.
Dass die Bildungspolitik nach wie vor auf der Stelle statt voranmarschiert, ist für Wimmer das eigentliche Dilemma. „Kinder brauchen Erfolgserlebnisse. Sie brauchen Ermutigung statt Entmutigung“, heißt ihre klare Botschaft.
Gleichzeitig räumt sie mit einer ganzen Reihe althergebrachter Vorurteile auf und plädiert stattdessen dafür, die Lernzeit für Hausaufgaben zu begrenzen und rechtzeitig Pausen einzulegen, um die Konzentration aufzufrischen, Schüler ihr eigenes Tempo bestimmen und sie entscheiden zu lassen, wie und wo sie lernen: „Richtiges und effektives Lernen findet nicht nur am Schreibtisch statt.“
Für einen Motivationsschub bei Kindern sorge derjenige, der ihnen aufzeige, was sie mit ihrem Wissen anfangen können und der ihnen mit Herz und Emotionen Bilder und Visionen transplantiere.
Einen Weckruf, endlich Worten Taten folgen zu lassen, richtete Jutta Wimmer gegen Ende der gut dreistündigen Veranstaltung an die Kultusminister. An die Lehrer appellierte sie, Kindern und Jugendlichen aufzuzeigen, „wie sie über sich hinaus wachsen können“, um näher an deren innere Realität heranzurücken: „Unsere Kinder werden nur leistungsstark, wenn wir auf ihre Stärken sehen“.
© Bergsträßer Anzeiger, Donnerstag, 01.10.2015